Reisetipps

 

Nur ca. 5 Kilometer vom Kloster Ammensleben entfernt liegt das Kloster Hillersleben. An dessen Stelle soll einmal eine Burg gestanden haben. Nachgewiesen ist diese jedoch nicht.

Thietmar von Merseburg, Bischof und Geschichtsschreiber berichtet im 10. und 11. Jahrhundert von einem Nonnenkloster, welches von den Slawen niedergebrannt wurde. Die Nonnen wurden verschleppt. Tatsächlich wurde um 960 ein Benediktinerinnenkloster gegründet, welches um 997 zerstört wurde.  

Um diese Zeit herum rankt sich auch eine Legende. Diese handelt von einem unterirdischen Gang, der zwischen den Klöstern in Ammensleben und Hillersleben bestanden haben soll. In Ammensleben hat dieser jetzt als Weg genutzte angebliche Verlauf sogar einen Namen. „Brummgang“ wird er genannt, weil es ab und zu dumpf aus der Erde klingt, wenn man diesen Weg entlang läuft. Natürlich wird hier vermutet, dass der Gang dem regen Austausch zwischen den Mönchen in Ammensleben und den Nonnen in Hillersleben gedient haben sollte. Aber bei genauer Betrachtung der geschichtlich überlieferten Daten muss man die romantische Vorstellung doch etwas relativieren. Erst im 12. Jahrhundert stiftete die Grafenfamilie von Ammensleben eine Kirche und begründeten ein Chorherrenstift. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Hillersleben keine Nonnen mehr. Pech für die Mönche in Ammensleben.

Im Oktober 1022 wird das Kloster durch Erzbischof Gero und seiner Schwester Ennihilde von Domersleben neu geweiht. Es wurde neben Benediktinermönchen zumeist mit Domherren besetzt. Ein Domherr ist kein geweihter Mönch sondern oft ein Priester oder so eine Art Beamter im kirchlichen Dienst. Wenn man in den historischen Quellen ein wenig zwischen den Zeilen liest, könnte man auf die Idee kommen, dass die Stifterfamilie mit den Domherren nicht ganz zufrieden war. So wurde 74 Jahre später das Kloster neu gegründet und mit Benediktinermönchen aus dem Kloster Ilsenburg besetzt. Ich könnte mir vorstellen, dass diese auch etwas fleißiger waren und dem Kloster und damit auch der Stifterfamilie mehr Ertrag bescherten. Dem Kloster wurde der Zehnt von 12 Hufen zugewiesen.

Mit dem Begriff Hufe kann bestimmt kaum noch jemand etwas anfangen. Als ich noch ein Kind war, so vor „sage und schreibe“ 45 Jahren, hatten wir auch noch eine Hufe. Das war eine Wiese mit Obstbäumen. Die Fläche einer Hufe ist regional unterschiedlich. Grundsätzlich soll die Hufe eine Größe haben, die von einer Familie bewirtschaftet werden kann und auch für die Versorgung der Familie ausreichend ist. Da die Bodenbeschaffenheit und damit der Ertrag nicht überall gleich sind, gibt es flächenmäßige Unterschiede.

Und da wir gerade beim erklären sind hier noch etwas zum Kirchenzehnt. Geht man vom Wort Zehnt aus, könnte man denken, dass die Bauern 10 % ihres Einkommens an die Kirche oder den Grundherren abgeben müssten. Das ist nicht ganz so. Auch hier ist der Zehnt nur der Begriff einer Abgabe, wie in der heutigen Zeit der Begriff Steuer. Tatsächlich bewegte sich die Abgabe zwischen 10 und 30 % des Ertrages, den der Bauer erzielte oder es wurde ein Festbetrag unabhängig vom tatsächlichen Ertrag festgelegt.

1179 wird die Kirche und die Klausur bei den Kämpfen zwischen Heinrich dem Löwen und dem Magdeburger Erzbischof Wichmann zerstört. Von dieser alten Kirche sind keine Reste mehr erhalten. In den Chroniken steht, dass das Kloster 1232 bereits wieder vollständig errichtet war. Und hier beginnt unser Rundgang.

Betritt man die Kirche fällt die strahlend blaue Apsiskalotte sofort ins Auge. Aber diese interessiert uns erst viel später.

Ein kleines Detail an den Triumphbogenpfeilern vor der Apsis ist viel interessanter.

Die kleinen in die Pfeiler eingearbeiteten Säulchen und die darüber liegenden Kapitell sind nämlich die einzigen erhaltenen Schmuckelemente dieser nach der Zerstörung neu erbauten Kirche. Und wenn wir von dieser neu erbauten Kirche sprechen so hat diese mit der heutigen Kirche auch nicht mehr viel gemeinsam.

Damit man sich eine Vorstellung von den Dimensionen der im 13. Jahrhundert errichteten Kirche machen kann, hier mal eine Skizze zum Vergleich.

Die heller und gestrichelt dargestellten Gebäudeteile existieren heute nicht mehr.

Genau wie beim Kloster Ammensleben hatten auch hier die Grafen von Regenstein nach dem Aussterben der Stifterfamilie die Vogteirechte erhalten und wussten auch in diesem Kloster diese zu ihren Gunsten auszunutzen. Zur gleichen Zeit wie beim Ammenlebener Kloster, nämlich 1273 kaufte das Kloster den Grafen die Vogteirechte ab. Ich denke, auch hier wird es nach dem Kauf zu finanziellen Schwierigkeiten gekommen sein. Einhundert Jahre später geht aus einer Schenkungsurkunde hervor, dass der Magdeburger Erzbischof  Peter dem Kloster das Dorf Hillersleben überlässt und dass damit ein ökonomischer Aufschwung des Klosters einherging.

Im Kloster Ammensleben wurde um 1473 die Kreuzkapelle angebaut. In dieser Kapelle befinden sich noch alte Tonfliesen. Bei meinem Gang durch die Hillerslebener Kirche entdeckte ich plötzlich die gleichen Fliesen, die allerdings etwas lieblos aneinandergereiht wurden ohne darauf zu achten, dass diese eigentlich ein Muster ergeben. Die Fliesen findet man gleich neben dem Pfeiler an der Apsis mit den kleinen Säulchen.

Offensichtlich war zu dieser Zeit dieses Ornament ziemlich hipp und die Ziegelei richtig gut im Geschäft. Aber zu welcher Zeit wurden diese Tonfliesen eingebaut. Im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg fand ich in einer Vitrine die gleichen Fliesen. Datiert waren Sie auf eine Zeit von 1130 bis 1160. Dies würde dafür sprechen, dass die Fliesen noch vor der Zerstörung von 1179 in der Kirche verbaut wurden und damit ebenfalls zu den ältesten, noch aus romanischer Zeit stammenden Bauteilen gehören.

In der Zeit der Reformation blieb das Kloster zunächst katholisch, obwohl die Gegend um Magdeburg ja eher protestantisch geprägt war. Im Gegensatz zum sich entwickelnden Protestantismus stand der katholische deutsche Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Karl V. Die Protestanten, dessen Einflussgebiet im Norden des Reiches lag, schlossen sich im Schmalkaldischen Bund zusammen. Das bedeutete für den katholischen Kaiser natürlich ein Machtverlust gegen den es sich zu wehren galt. Es kam zum Schmalkaldischen Krieg, den letztendlich Kaiser Karl V. gewann. Bei den Auseinandersetzungen wurde 1550 leider auch das Kloster in Hillersleben in Mitleidenschaft gezogen. 27 Jahre später sprachen sich der Abt und die Brüder dann doch für die Augsburger Konfession aus und wurden protestantisch.

1603 erhält das Kloster die erst drei Jahre zuvor im Kloster Ammensleben eingebaute Orgel. Zu diesem Zeitpunkt ist das Kloster Ammensleben katholisch. Ob das eine freiwillige Schenkung war?

Der Dreißigjährige Krieg hinterließ am Kloster auch einige Spuren und für vier Jahre ist das Kloster wieder katholisch. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges müssen die Klostergebäude und die Kirche eine recht traurige Gestalt gemacht haben. Teile des Kirchendaches fehlten und es sollen schon Bäume aus dem Gemäuer gewachsen sein.

Das Magdeburger Domkapitel, was nach dem Dreißigjährigen Krieg die Rechte am Kloster erhalten hat, muss diese 1687 an den Kurfürsten von Brandenburg abtreten. Das Kloster wird eine Domäne.

Anfang des 18. Jahrhunderts findet man in den Berichten dann die letzten Hinweise auf die noch bestehenden Ostteile der Kirche. Gleiches gilt für den Kreuzgang. Es beginnt eine Abfolge von Abriss und Wiederaufbau. Infolge des Einsturzes eines Teiles des Daches wird das nördliche Seitenschiff abgerissen. Kurz darauf folgte der Abriss des Chores, des Querhauses, der Nebenchöre und der drei Apsiden. Diese wurden nie wieder aufgebaut. Heute erkennt man noch rechts und links neben der Apsis die Rundbögen durch die man in die Nebenchöre gelangte

Und am äußeren östlichen Teil die Kapitelle, die einst auf den Pfeilern, die das Langhaus vom Querhaus trennten, aufgesetzt waren.

Geht man jetzt noch ein Stückchen weiter um die Apsis herum entdeckt man noch Reste aus den Zeiten des bestehenden Kreuzganges.

An dieser Stelle befindet man sich ja eigentlich mitten im ehemaligen Querhaus. So war die rechte Tür (die mit dem Fenster) der Zugang vom Querhaus zum Kreuzgang und die linke Tür der Zugang zur Sakristei. Die obere Öffnung war wahrscheinlich eine Tür zum Dormitorium, den Schlafräumen der Mönche

Noch vorhandene Reste des Kreuzganges findet man auf der Südseite der Kirche, also einmal wieder zurück, am Seitenportal und den Westtürmen vorbei und hier sieht man noch die äußere Wand des nördlichen Kreuzgangflügels, die den Gang vom Kreuzhof trennte.

Schön restauriert hat man jetzt einen Gemeinderaum mit einem Nebenaltar aus dem Nordflügel gemacht.

Und auf diesem Bild erkennt man das Fenster wieder, welches auf der Ostseite in die ehemalige Rundbogentür eingebaut wurde, nur halt von der anderen Seite (der Zugang vom ehemaligen Querhaus in den Nordflügel des Kreuzganges).

Nach dem Abriss der Ostteile wurde die jetzige Apsis angebaut durch eine Bretterwand vom Langhaus getrennt und erst einmal nur als Sakristei genutzt.

Anfang des 19. Jahrhunderts stürzte dann auch noch der alte Turm, der im Stil der Romanik noch der typische Querriegel war, ein.

1850 begann man dann im Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe über die Sanierung des Klosters nachzudenken. Kein geringerer als der Architekt Friedrich August Stüler prüfte und überarbeitete damals die Sanierungspläne. Friedrich August Stüler war unter anderem der Erbauer des Neuen Museums in Berlin und der Kuppel über dem Eingangsportal des Berliner Stadtschlosses.

Im Zuge der darauf folgenden Sanierung wurden an der Westseite zwei Türme errichtet, ein neuer Dachstuhl erbaut, das nördliche Seitenschiff mit dem Seitenportal, was heute dem Zugang zur Kirche dient, wieder aufgebaut und die Kirche innen neu farblich ausgestaltet.

Hier erhielt dann auch die Apsiskalotte ihre markante blaue Ausmalung, die heute wieder frisch restauriert das gesamte Kircheninnere dominiert.

Aber irgendwie ist es wie ein Fluch des ewigen Aufbaus und der Zerstörung, der auf der Kirche liegt. Neun Jahre nach der Sanierung schlägt der Blitz ein und zerstört die neuen Türme, die Glocken und die Orgel. Die Türme werden wieder neu erbaut und das Westportal errichtet. Und so zeigt sich die Kirche auch noch heute von ihrer Westseite.

1935 ging die Domäne an die Deutsche Heeresverwaltung, die in der nahegelegenen Letzlinger Heide einen großen Schießplatz errichtete.

Für alle, die den Gruselfaktor in meinem Bericht vermissen, können auf der Ostseite an der Ecke des neben der Kirche gelegenen Gebäudes durch ein kleines Fenster schauen. Fensterscheiben sind nicht vorhanden, so dass man in einen kleinen dunklen Raum blickt und leider so gar nichts in der Dunkelheit erkennt. Aber wenn man mit Blitzlicht hineinfotografiert, bietet sich folgendes Bild auf der Kamera.

Diese Gruft beherbergt die Überreste der Verwalterfamilie Cammerhoff aus dem 18. Jahrhundert.  Einer der Nachfahren der Familie ein John Christoffer Cammerhoff  ist Mitte des 18. Jahrhunderts als Missionar nach Amerika ausgewandert und war dort in der Gemeinde Bethlehem in Pennsylvania tätig.

Beim Schreiben dieses Berichtes kam mir immer wieder in den Sinn, dass das Hillerslebener Kloster eigentlich im Schatten des Klosters in Ammensleben stand. Ich glaube auch, dass es so gewesen ist. Romanisches findet man an und in der Kirche kaum noch etwas. Immer wieder wurden Teile der Kirche und der Klosteranlage zerstört, verfielen und wurden letztendlich abgerissen. Und auch damit steht das Hillerslebener Kloster wieder im Schatten der großen und weitaus romanischer erhaltenen Schwester in Ammensleben. Grund genug ihr jetzt die Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdient.