Jedes der hier beschriebenen Gebäude hat so seine Eigenheiten. Die des Klosters Jerichow ist, dass es eigentlich nur wenige gesicherte Daten aus der Baugeschichte gibt. Ein Archiv oder eine Bibliothek existiert nicht mehr. Und so konnte man die viele Erkenntnisse nur mittels der vorhandenen Baustruktur und geschichtlicher Zusammenhänge herleiten und konstruieren. Für den Historiker ergibt sich hieraus noch viel Arbeit und für den Laien viel Raum für Phantasie.

Und so beginnen wir in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Die ostelbischen Gebiete waren nach dem Slawenaufstand von 983 noch fest in der Hand der Slawen. Aber es regten sich schon wieder Eroberungsbemühungen in Richtung Osten. Die Nordmark umfasste in dieser Zeit ungefähr das Gebiet der Altmark und wurde regiert von den Grafen von Stade. Diese wagten einen Übertritt über die Elbe und bauten eine Burg als Brückenkopf auf dem Territorium der jetzigen Stadt Jerichow. Brückenkopf? Ist so ein Brückenkopf nicht eine Art Festung am anderen Ufer eines Flusses und ist Jerichow nicht mindestens zwei Kilometer von der Elbe entfernt? Hierfür gibt es eine einfache Erklärung. Die Elbe bildete damals in diesem Bereich eine Schleife die zirka zwei Kilometer in das Herrschaftsgebiet der Slawen hinein reichte. Also strategisch gesehen der ideale Ort um einen Brückenkopf zu positionieren.

Im Laufe der Zeit entstand eine kleine Ansiedlung mit einer Pfarrkirche im Vorfeld der Burg. Die Grafen von Stade starben mit Rudolf II. aus. Der Bruder von Rudolf, Hartwig I. war zu diesem Zeitpunkt bereits Propst des Domkapitels zu Bremen und konnte daher seinen älteren Bruder nicht beerben. Die Nordmark ging an Albrecht den Bären. Vielleicht aus Gründen der Sentimentalität, denn Hartwig war zuvor Domprobst zu Magdeburg und wurde von seiner Mutter Richardis in der Nähe von Jerichow erzogen, stiftete er 1144 ein Prämonstratenser-Chorherrenstift an der Pfarrkirche. Der amtierende deutsch-römische König Konrad III. bestätigte noch im gleichen Jahr die Stiftung. Drei Jahre später rüstete man zum Wendenkreuzzug und eroberte die slawischen Gebiete mitsamt den Bistümern Havelberg und Brandenburg zurück.

Die Pfarrkirche befand sich, wie es üblich war, inmitten des Dorfes. Der angrenzende Markt mit seinem Getümmel und Marktgeschrei stellte sich allerdings bald als recht störend heraus und so kam man auf die Idee das Kloster nach außerhalb des Ortes zu verlegen.

Und so begann in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts der Bau der Klosterkirche am Ortsrand von Jerichow. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass es sich ja eigentlich um kein Kloster sondern um ein Chorherrenstift handelte. Allerdings verhielt es sich hier ähnlich wie in Diesdorf. Die Chorherren hatten sich derart strenge Regeln auferlegt, dass dies einen Klosteralltag glich.

Mit dem Bau der Klosterkirche beginnen dann auch schon die Unsicherheiten in Bezug auf die Baugeschichte. Um das zu verdeutlichen beginnt man nun den Rundgang am besten an der Hauptapsis. Die ersten Teile der Kirche, die entstanden, waren der Chor, die Apsis, das Querschiff mit Nebenapsiden und die ersten beiden Joche des Langhauses. Als Merkmal der ersten Bauphase steht der Sockel aus Grauwacke. Nun streiten sich die Gelehrten, ob es nach Fertigstellung des Sockels zu einem geplanten Materialwechsel auf Backstein kam, oder ob es einen vollständig aus Grauwacke oder aus Lehm und Holz errichteten Vorgängerbau gab. Für die Bauweise in Holz und Lehm oder Grauwacke spricht, dass es vor den 60-er Jahren des 12. Jahrhunderts keine sicher nachgewiesenen Backsteinbauten nördlich der Alpen gab. Würde sich herausstellen, dass es keinen Vorgängerbau gab und dass tatsächlich beim Erstbau ein Materialwechsel auf Backstein vorgenommen wurde, wäre die Klosterkirche Jerichow der älteste Backsteinbau nördlich der Alpen. Vorerst gehört dies aber in das Reich der Phantasie. Wie die Kirche bei der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1172 aussah ist noch völlig ungeklärt. Aber eines dürfte wohl relativ gesichert sein und das ist die Mitwirkung von italienischen Baumeistern. Zur Zeit der Errichtung der Klosterkirche war in Italien der Backsteinbau bereits in voller Blüte.

Der Formenreichtum  der Hauptapsis mit der mittels Lisenen vorgenommenen Gliederung und dem im Traufenbereich angeordneten Kreuzbogenfries, dem darüber liegenden Konsolenband und den zum Dach hin abschließenden deutschen Band weisen in Richtung Italien-Pavia.

Auch die Verarbeitung des Backsteines mit der vor dem Brand versehenen Riefelung verweist auf italienische Baumeister.

Der Westabschluss der ersten Bauphase ist heute noch anhand der rechteckigen Pfeiler, die ebenfalls einen Sockel aus Grauwacke haben, zu erkennen. Hierauf komme ich im Inneren der Kirche noch einmal zurück. Die Nebenchöre mit Ihren Apsiden gehören einer späteren Bauphase an. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass der Weiterbau der Kirche und der Bau der Klausur gleichzeitig erfolgten.

 

 

Die Klosteranlage betritt man durch einen schmalen Durchgang im Ostflügel und gelangt von hier aus in den Kreuzgang. Wendet man sich nun nach rechts kommt man geradezu auf den Eingang zur Klosterkirche.

Auf den ersten Blick ein recht unscheinbares Portal, welches in das südliche Seitenschiff führt.

Wenn man allerdings die rechte Säule näher betrachtet, erkennt man die kunstvolle und detailverliebte Gestaltung des Wolfes im Schafspelz, wogegen der Schafspelz eher eine Mönchskutte ist. Der Wolf predigt zwei Gänsen.

Das Kircheninnere zeigt sich eigentlich sehr schmucklos. Ein flachgedeckter Backsteinbau mit runden Säulen, die die Rundbogenarkaden tragen, die wiederum das Hauptschiff von den Seitenschiffen trennen.

Diese Pfeiler mit dem Sockel aus Grauwacke sind es, die nach der ersten Bauphase ein Teil der Westwand der Klosterkirche waren.

Schaut man nun auf gleicher Höhe in Richtung Außenwand des Seitenschiffes erkennt man auch hier wie weit der Ursprungsbau in Richtung Westen verlief.

Die gesamte Ausstattung der Kirche ging in der Reformationszeit verloren. Der schon an die Gotik erinnernde Taufstein stammt aus der Stadtkirche von Jerichow.

Eines der bedeutendsten Ausstattungsstücke ist der Osterleuchter. Der Schaft entstammt wohl tatsächlich einem Osterleuchter. Der Fuß des Leuchters hatte ursprünglich allerdings eine andere Verwendung. Erst im 20. Jahrhundert hat der Schriftgestalter Rudolf Koch beide der Romanik entstammenden Teile miteinander in sinnvoller Weise verbunden. Gerade der Sockel besticht durch das plastische Relief, was gemessen an seiner Entstehungszeit ein überragendes Kunstwerk darstellt.

Bereits 1178, also schon sechs Jahre nach der Ersterwähnung der Kirche, war das Kloster bereits derart gefestigt, dass von ihm die erste Klostergründung in Gramzow in der Uckermark ausging. In dieser Zeit war Isfried Propst des Klosters, welcher später Bischof von Ratzeburg wurde und mit diesem Amt auch die Position des Beichtvaters von Heinrich dem Löwen besetzte.

Bei der von Ferdinand von Quast im 19. Jahrhundert durchgeführten Sanierung der Kirche wurden im Dachstuhl Hölzer wiederverwendet, die bei einer dendrochronologischen Untersuchung das Fälldatum 1187 (+/- 10 Jahre) zugeordnet bekamen. Dieses Datum spielt beim Poker um die Stellung als älteste Backsteinkirche nördlich der Alpen eine außerordentliche Rolle. Geht man nämlich davon aus, dass der Dachstuhl des Langhauses um 1187 fertig gestellt, aber bereits 16 Jahre zuvor von der Kirche berichtet wurde, muss es innerhalb der 16 Jahre Arbeiten an der Kirche gegeben haben, die den neuen Dachstuhl erforderlich machten. Eine überaus spannende Entwicklung in der Bauforschung, die es lohnt immer wieder nachzufragen.

In einer späteren romanischen Bauphase entstanden die Nebenchöre und die Krypta. Da man sich bereits im 12. Jahrhundert Gedanken über den an der Elbe bestehenden relativ hohen Grundwasserstand machte, legte man die Krypta sehr hoch an. Die Bezeichnung „der Hohe Chor“ bekommt in dieser Klosterkirche demnach auch noch eine wortwörtliche Bedeutung.

Geht man nun hinunter in die Krypta erwartet einen ein unverändert romanischer Raum. Wann die Krypta eingebaut wurde ist nicht bekannt. Aber gemessen am romanischen Charakter muss der Einbau bis 1250 erfolgt sein. Die Säulen mit den hervorragend plastisch gearbeiteten Kapitellen und das Kreuzgratgewölbe lassen das Herz jeden Romanik-Begeisterten höherschlagen. Es sei aber noch auf einige ganz besondere Ausstattungsgegenstände hingewiesen.

Die hintere mittlere Säule weicht beim Material von den anderen Säulen ab. Sie besteht aus einem seltenen aus Italien stammenden Granit. Wer vielleicht schon den Magdeburger Dom besichtigt hat, kann sich vielleicht an die Säulen im Hohen Chor erinnern, die ebenfalls aus Italien stammten. Hier liegt die Vermutung nahe, dass diese Säule zu den antiken aus Italien stammenden Spolien gehörte, die Otto I. im ersten Dom in Magdeburg verbaute. Sollte hier jemals der Nachweis gelingen, wäre auch eine zeitliche Einordnung des Baus der Krypta möglich.

Die in der Mitte der Krypta befindliche Doppelsäule sticht durch ihre hervorragende Plastik in den Kapitellen heraus. Eine Besonderheit ist hier die Oberflächengestaltung. Während die Plastik eine geglättete Oberfläche aufweist, wurde der Hintergrund aufgeraut. Insgesamt bildet die Kapitellausbildung in der Krypta eine derartige Anhäufung von Besonderheiten, wie man sie nirgendwo anders findet. Eine exakte zeitliche Einordnung ist daher gar nicht möglich.

Besondere Beachtung sollte man noch der kleinen Figur an der Konsole auf der Südseite der Apsis schenken. Hier soll sich der Baumeister der Kirche verewigt haben.

Wenn man nun zum Ausgang der Krypta geht, kommt man an einem in der Wand eingelassenen Relief vorbei. Dieses stammt aus dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts und diente wahrscheinlich einmal als Altaraufsatz. Die Köpfe der vier Engel, die die mittig angeordnete Mandola halten, wurden abgeschlagen. Die Beschädigung weist auf eine planmäßig, religiös motivierte Zerstörung hin, wie sie beispielsweise in der Zeit der Reformation üblich war.

Den Hohen Chor erreicht man über die seitlich an der Krypta anschließenden gewendelten Treppen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Chorherren auf dieser Treppe, insbesondere beim Herabgehen, stürzten. Also schön vorsichtig sein!

Erst einmal bietet sich von hier oben ein hervorragender Blick in das Langhaus. Von hier aus kann man mit etwas Phantasie erahnen, wie die ursprünglich kleine Kirche ohne den Westbau aussehen haben mag.

Die Bemalung der Unterseiten der Gurtbögen ist weitestgehend original erhalten und wurde in den 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts restauriert.

Die Reste des hochgotischen Freskos in der Apsiskalotte zeigen die Marienkrönung. Eine Restaurierung ist hier leider aufgrund mangelnder Befunde nicht mehr möglich.

Der aus Sandstein bestehende Altar ist, wie man an den Rundbogennischen erkennen kann, ebenfalls aus romanischer Zeit.

Betritt man nun den auf der südlichen Seite befindlichen Raum befindet man sich in der ehemaligen Sakristei. Der südliche Nebenchor wurde noch in romanischer Zeit in der Höhe geteilt. Der durch die Spitzbogenfenster vermittelte gotische Eindruck des Raumes entstand wohl bei den Umbauarbeiten zum Zwecke der Einwölbung der im unteren Geschoss befindlichen Kapelle. Der heutige Zugang zu diesem Raum besteht allerdings noch nicht lange.

Verlässt man nun den hohen Chor über die Südtreppe, steht man direkt vor dem südlichen Nebenchor. Die durch die horizontale Teilung erforderliche Ausmauerung des Rundbogens wirkt fast schon monumental. Wenn man genau hinschaut, erkennt man auf der rechten Seite des Bogens eine zugemauerte Tür. Hier befand sich der ursprüngliche Eingang zum oberen Raum über eine Holztreppe.

Die Kapelle wurde schon im gotischen Stil errichtet. Damit haben wir in der Zeit schon etwas vorgegriffen. Gehen wir noch einmal zurück in die Romanik und wenden uns der westlichen Erweiterung der Kirche zu.

Um diese Ansicht des Turmes genießen zu können, muss man aus der Kirche herausgehen und sich gleich nach rechts wenden. Entlang an der südlichen Seitenschiffwand gelangt man auf den Wirtschaftshof und steht faktisch vor den Türmen. Der Turmbau begann ebenfalls noch in romanischer Zeit aber wohl erst einige Jahre nach Fertigstellung der an den rechteckigen Pfeilern endenden Kirche. Begonnen wurde mit der Errichtung der Türme mit einigem Abstand zur Westwand des Langhauses. Ganz ohne Probleme verlief der Turmbau wohl nicht, denn es gab mehrere Bauunterbrechungen. Mit Abschluss des Turmbaus schloss man jedenfalls die Baulücke zum Langhaus indem man die Außenwände der Seitenschiffe bis zum Turm verlängerte und dann die Westwand der Kirche abriss. Beendet wurde der Turmbau wohl erst in gotischer Zeit. Die Turmhelme wurden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufgesetzt.

Um nun mit der Besichtigung der Klausur zu beginnen, begibt man sich am besten zurück zum Eingang der Kirche. Hier steht man nun am Ostflügel des Kreuzganges, dem zuerst entstandenen Teil der Klausur.

Die Klausur wurde nicht kontinuierlich errichtet. Es macht eher den Eindruck, dass immer, wenn es notwendig erschien eine Erweiterung vorzunehmen, weitere Baumaßnahmen in Angriff genommen wurden. Auch geht man davon aus, dass die Klausur zuerst in Holz- und Lehmbauweise errichtet und nach und nach in Stein verbessert wurde.

Der erste zu betretende Raum des Ostflügels ist der Kapitelsaal. Das mehrfach gestufte Doppelportal weist umfangreiche Beschädigungen auf, lässt aber in seiner romanischen Pracht erahnen, welche Bedeutung dem Kapitelsaal im Kloster zukam. Hier wurden die organisatorischen Dinge des Klosters geregelt. Man kam in diesem Raum zusammen um Dinge der Gemeinschaft zu besprechen, Streitfälle zu schlichten, neue Stiftsherren aufzunehmen und einzukleiden und auch den Abt zu wählen. Am Beginn jeder Versammlung wurde ein Kapitel der Ordensregel verlesen, aus diesem Grund trägt der Raum den Namen Kapitelsaal.

Die Innenseite des Doppelportales ziert eine Säule. Eine solche Säule war ursprünglich auch auf der Außenseite vorhanden, wurde jedoch zerstört und durch eine Ziegelvorlage ersetzt.

Das von zwei Mittelsäulen getragene Kreuzgratgewölbe bestimmt diesen Raum. Darüber hinaus springt der Raum nach Außen auch aus der Flucht um umfasst daher mehr Fläche.

Wendet man sich hinter dem Eingang nach links gelangt man über Treppen in zwei weitere sehr flache Räume. Wozu die Räume genutzt wurde ist nicht ganz geklärt. Hier wird die Unterbringung der Bibliothek und des Archivs vermutet. Die sehr geringe Höhe der Räume ist einer nachträglichen Anlegung von Kellern geschuldet, die die Höherlegung des Fußbodens verlangte.

Der letzte der drei Räume war ziemlich sicher die alte Sakristei. Durch eine Tür direkt gegenüber des Einganges erreichte man den Südflügel des Querhauses der Klosterkirche. Die Schräge im Tonnengewölbe ist der Treppe zu verdanken, die ursprünglich ins Obergeschoss des Ostflügels führte, wo sich das Dormitorium, also die Schlafräume der Stiftsherren befanden. Heute ist dort das Museum untergebracht. Ein Besuch lohnt sich auf alle Fälle.

Geht man nun am Ern vorbei, durch welchem man das Kloster betreten hat, kommt als nächstes ein kleiner unscheinbarer Raum. Das Parlatorium. Wer sich etwas mit der lateinischen Sprache auskennt, wird gleich wissen, dass es sich um ein Sprechzimmer handelt. Für alle anderen sei auf das Wort Parlament verwiesen, welches ebenfalls das Wort parabolare nämlich sprechen enthält. Hier konnten die Stiftsherren Besuch empfangen, welcher das Kloster nicht betreten durfte. Anknüpfend an seine frühere Bestimmung hat man sinnigerweise einen Telefonanschluss hier installiert.

Der folgende Raum wirkt sehr düster und ursprünglich. Es ist der Brüdersaal, also der Raum in welchem Unterweisungen in Theologie und anderen Wissenschaften stattfanden. Klöster waren im Mittelalter die Wissenschaftszentren. Alles Wissen dieser Zeit und auch die Herstellung von Büchern ging von den Klöstern aus. Entsprechend seiner Bedeutung besteht die Mittelsäule, welche das Gewölbe trägt aus dem gleichen Material wie die hintere Säule in der Krypta und ist wahrscheinlich auch gleichen Ursprungs. Zudem konnte der Raum über einen Kamin beheizt werden. Der Brüdersaal gehört zu den ältesten Bereichen der Klausur. Spätere Nutzungen haben allerdings auch ihre Spuren hinterlassen. So wurden die Fenster im 15. Jahrhundert gotisch umgebaut. Durch eine Absenkung des Fußbodens konnte man den ursprünglichen Backstein-Fußboden wieder freilegen. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die Freilegung des Fußbodens in Zusammenarbeit mit Schülern eines Gymnasiums erfolgte. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass diese Art des Geschichtsunterrichts die optimale Vermittlung historischer Zusammenhänge darstellt. Meiner Meinung nach gehört der Geschichtsunterricht nicht in den Klassenraum. Es gibt in Deutschland so viele historisch bedeutsame Orte, die Geschichte erlebbar machen und vor allem ein Gefühl davon vermitteln, wo wir herkommen und was die Erkenntnisse über die Historie für die Beurteilung der Gegenwart bedeutet.

Als nächstes gelangt man in den Südflügel. Der Südflügel ist eigentlich der jüngste der Kreuzgangflügel. Die beiden hier aneinandergrenzenden Räume sind das Sommer- und das Winterrefektorium, also die Speiseräume.

Das fast unverändert romanische Sommerrefektorium stammt ungefähr aus der Zeit um 1225 und wird heute als Außenstelle des Standesamtes genutzt.

Die Kapitelle der beiden Mittelsäulen gehören zu den schönsten Plastiken, die romanische Steinmetze erschaffen haben.

Ursprünglich war, wie es sich für ein Sommerrefektorium gehört, die Wand zum Kreuzgang hin, offen. Wahrscheinlich waren Klimaveränderungen der Grund dafür, dass man die Wände zugemauert hat. In der Zeit von 1275 bis 1300 begann die „Kleine Eiszeit“ mit einer plötzlichen Abkühlung der Sommer auf der Nordhalbkugel.

Der nächste Raum ist das Winterrefektorium, also der Raum, in welchem im Winter gespeist wurde. Der Raum wurde irgendwann einmal geteilt und unter dem hinteren Teil ein Keller eingebaut und damit der Fußboden erhöht. Die dunklen Brandspuren sind Zeugen der späteren Nutzung als Schmiede.

Die Besonderheit dieses Raumes ist die mittelalterlich erhaltene Bemalung der Gurtbögen.

Der zwischen den beiden Räumen im Südflügel liegende Spalt ist eine Heizung für die im Obergeschoss liegende Wärmestube. Hierbei wurde die warme Luft in den Fußbodenaufbau geleitet und der Raum dadurch beheizt.

Vom Südflügel gelangt man nun in den Westflügel. Ursprünglich waren die Rundbögen zum Hof mit einem Maßwerk versehen. Die Reste sind hier noch gut zu erkennen.

Das Doppelportal mit den Spitzbögen gehörte wahrscheinlich zu einer Kapelle, die 1430 als Marien-Magdalenen-Kapelle erwähnt wurde.

Vergleicht man nun den Westflügel mit dem restlichen Kreuzgangflügeln fällt auf, dass der Westflügel aus Grauwacke errichtet wurde. Wahrscheinlich ist der Westflügel der erste Teil des Kreuzganges gewesen, welcher in Stein erbaut wurde. Die Grauwacke stammt wohl von der ursprünglichen Westwand der Kirche vor dem Turmbau. Gleichzeitig fällt auf, dass der Westflügel gleich zwei Obergeschosse besitzt. Um dieses zu erklären begibt man sich am besten durch den Durchgang zwischen Süd- und Westflügel auf den Domänenhof.

Nun steht man vor dem Giebel des Konversenhauses, welcher an den Westflügel des Kreuzganges angebaut ist. Im Konversenhaus wohnten die Laienbrüder, also sozusagen die Bediensteten des Klosters. An diesem Giebel kann man sehr schön die Reste eines ursprünglichen Giebels erkennen. Diese stellen die Größe des Ursprungsbaus dar. Um 1504 wurde das Haus sowohl in seiner Breite als auch in seiner Höhe wesentlich erweitert und der westliche Kreuzgang sozusagen überbaut.

Dort wo sich jetzt der Treppenaufgang befindet, befand sich die Küche des Klosters, die ebenfalls vom Kreuzgang aus zu betreten war.

Der Nordflügel des Kreuzganges ist nicht mehr vorhanden, aber man erkennt noch die Umrisse der Gewölbe.

Eigentlich sind wir nun am Ende unseres Rundganges. Geschichtlich gesehen, sind wir aber immer noch in der Zeit der Romanik und haben nur teilweise die Gotik angeschnitten. Dies spricht eindeutig dafür, dass die Gebäude des Klosters zu großen Teilen romanisch erhalten aber auch im Sinne der Romanik rekonstruiert wurden. Es gibt aber auch Spuren der jüngeren Vergangenheit.

Die Reformation beendete das Mittelalter. Die Kirche und die Klausur sah zu dieser Zeit ungefähr so aus, wie es sich uns heute darstellt. 1530 lebten elf Kanoniker im Stift. Aber es begann der Abstieg. Die Elbe veränderte ihren Lauf und entfernte sich von Jerichow. Jerichow geriet überdies zwischen weltliche und christliche Fronten. 1540, also nur zehn Jahre später waren nur noch drei Geistliche im Stift ansässig. Das Kloster konnte aufgrund der schwindenden Einnahmen seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. So ist überliefert, dass 1534 der Propst in der Moritzburg bei Halle festgesetzt wurde um die Abgabe der Türkensteuer zu erzwingen.

Aber was ist die Türkensteuer? Ein „staatliches“ Steuersystem gab es im Mittelalter nicht. Es gab ja nicht einmal einen richtigen Staat. Jeder Herrscher, ob nun weltlicher oder religiöser Natur erhob gegenüber seinen Untertanen seine eigene Steuer. Das war der Zehnt. Benötigte der Kaiser oder der Territorialfürst finanzielle Mittel musste er diese aus seinem eigenen Besitz bestreiten. Da es faktisch keinen Staat gab, wurden an diesen auch keine Forderungen gestellt. Eine Ausnahme machte die Verteidigung des Reiches. Hier hatte jeder Fürst natürlich erst einmal die Aufgabe das Heer des Kaisers zu unterstützen, sowohl finanziell als auch mit Rittern und Fußvolk. Der Einfall der Türken in das Reich machte es dann doch erforderlich, gegenüber dem jeweiligen Territorialfürsten eine Steuer zu erheben. Hierzu musste allerdings erst einmal jeder erfasst werden, der eine Steuer zu leisten hatte. Dies erfolgte in Form eines Matrikels, in welchem alle Territorien und Städte aufgelistet waren, die diese Steuer zu leisten hatten. Diese Auflistungen, die noch bis heute erhalten sind, sind wahre Schätze an Informationen, nicht nur für Forscher des Steuerrechts.

Und so wurde auch das Kloster verpflichtet diese Steuer zu leisten. Dass die Steuerpflichtigen darüber nicht erfreut waren, kennen wir wohl zur Genüge aus eigenem Erleben. Ob das Kloster nun aus Prinzip nicht zahlen wollte oder einfach aus Geldnot nicht zahlen konnte, weiß ich nicht.

Mitte des 16. Jahrhunderts wurde das Kloster geplündert. Sämtliche Einrichtungsgegenstände wurde gestohlen. Dies war wohl auch der Todesstoß für das Stift. Ein Jahr später wurde das Kloster aufgelöst und in eine Domäne umgewandelt.

Der erste Verwalter der Domäne war 1152 Hanns von Krusemargk. Seine Grabplatte befindet sich in der Krypta. An dieser Stelle sollte man sich auch noch die anderen Grabplatten daneben anschauen. Der zu Bestattende wurde immer in Ost-West-Richtung niedergelegt. Dementsprechend wurde auch die Grabplatte ausgerichtet. Wenn man allerdings genau hinschaut, erkennt man, dass die beiden anderen Platten in West-Ost-Richtung in den Fußboden eingelassen wurden. Ob dahinter ein tieferer Sinn steckt oder die Arbeiter einfach nur schlampig gearbeitet haben, ist nicht bekannt.

Mitten im Dreißigjährigen Krieg wurde der Klosterbetrieb wiederaufgenommen. Der Prämonstratenserabt Casper von Questenburg setzte einen Propst aus Burg bei Magdeburg ein. Allerdings kam es zwei Jahre später wieder zu Plünderungen durch Truppen der schwedischen Armee, woraufhin die Prämonstratenser endgültig Jerichow verließen.

Nach 50 Jahren Leerstand ließ der brandenburgische Kurprinz Friedrich die Kirche sanieren und barock umgestalten. Aber der Domänenbetrieb beanspruchte immer mehr Fläche. So wurden Teile der Kirche und der Klausur zu Lagerzwecken genutzt.

Nachdem die Franzosen durch das Land gezogen sind, folgten die Preußen. Kein geringerer als Karl-Friedrich Schinkel wies auf den hohen architektonischen Rang der Kirche hin und so wurde der erste preußische Konservator Ferdinand von Quast mit der Instandsetzung der Kirche beauftragt.

Vor ihm stand eine große Aufgabe, denn die Kirche gab ein trauriges Bild ab. Einem Sanierungsbericht, welcher sich in einem Turmknopf befand, konnte folgendes entnommen werden: Die Dächer waren zerstört, das Holzwerk verfault, hölzerne Emporen verunstalteten das Innere, die Türme wiesen Risse auf, Krypta, Seitenschiffe, Chor und Obergeschoss des Südturmes waren zu ökonomischen Zwecken genutzt, bei der Sanierung blieben außer den Turmdächern fast nur die Mauern stehen.

So geht die Brüstung des Hohen Chors auf die Sanierung durch Quast zurück. Auch die Westempore trug eine derartige Brüstung. Leider ist diese einer Sanierung im 20. Jahrhundert zum Opfer gefallen. Insgesamt kann man sagen, dass von Quast es geschafft hat, mit den Mitteln und den Erkenntnissen der Zeit, die Romanik in einen weitestgehend zerstörten Bau wieder auferstehen zu lassen.

Die Klausur war nicht Umfang des Sanierungsprogrammes. Die Gebäude wurden zur Schweinemast und als Schnapsbrennerei genutzt.

Den zweiten Weltkrieg überstanden die Klostergebäude relativ schadlos. Nur der Westbau wurde durch die amerikanische Artillerie etwas in Mitleidenschaft gezogen. 1946 ereignete sich allerdings noch ein Dachstuhlbrand, der den Ost- und Südflügel beschädigte.

In den 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts begann die Sanierung der Kirche und der Klausur. Auf der Westempore wurde die Orgel entfernt und das dreiteilige gotische Fenster wieder geöffnet. Leider wurde auch die Quast’sche Empore entfernt. Die Nebenchöre erhielten neue Dächer und die Flachdecke der Kirche wurde neugestaltet. Aber was besonders wichtig war, man hat mit der Sanierung der Klausur begonnen. Diese Sanierung dauert bis heute an.

1998 gründete sich der Förderverein „Erhaltet Kloster Jerichow e.V.“. Darüber hinaus schlossen sich alle Anteilseigner, das Land Sachsen-Anhalt, die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, der Landkreis Jerichower Land, die Stadt Jerichow und die Evangelische Kirche Jerichow, zur gemeinnützigen „Stiftung Kloster Jerichow“ GbR zusammen. Durch diese gebündelte Kraft konnten wertvolle Schätze der Architektur erhalten und ein Ort lebendiger Geschichte und Kultur geschaffen werden