Willkommen in der Altmark!

Die Geschichte der Altmark beginnt man am besten mit einer Begriffsklärung. Die Mark, ein Begriff, der Geschichtsinteressierten immer wieder begegnet. Neumark, Nordmark, Uckermark, Mark Brandenburg oder auch Markgraf. Was ist eine Mark eigentlich? Eine Mark ist ein Grenzgebiet. In unserem Fall markierte die Mark, die später zur alten Mark wurde, das Grenzland zwischen den Eroberungen Karls des Großen und dem Slawengebiet östlich der Elbe. Das Gebiet der späteren Altmark gehörte zunächst also zum Frankenreich. Es müssen aber raue Zeiten gewesen sein. Die Slawen besiedelten das Gebiet. Sachsen wanderten mit den Eroberungen Karls des Großen ein. Es gab sicher noch keine größeren Ansiedlungen, eher wohl vereinzelte germanische Stämme. Aber auch slawische Ansiedlungen fand man hier. Gerade in der westlichen Altmark in der wir uns jetzt befinden, war das der Fall. Zur Zeit der Karolinger wird die Altmark zwischen den Bistümern Halberstadt und Verden aufgeteilt. Die Grenze zwischen den Bistümern wurde vom kleinen Flüsschen Milde, die in die Biese und später in den Aland übergeht markiert. Demnach gehörte das Dörfchen Wiepke zum Bistum Halberstadt.

In Wiepke wird um ca. 1150 die Dorfkirche auf einem kleinen Hügel gebaut. Oft waren heidnische Kultplätze auf derartigen Anhöhen zu finden. Mit der Christianisierung hat man diese heidnischen Plätze dann mit einer Kirche versehen. Zum einen beseitigte man damit eine wichtige Grundlage des Kultes und zum anderen diente dies dazu den Herrschaftsanspruch des neuen Gottes unmissverständlich zu demonstrieren.

Die Dorfkirche wird als Saalkirche mit einer flachen Holzdecke errichte. Also ein einzelner nicht von Stützen getragener oder von Seitenschiffen eingefasster Raum. Der Chor als allerheiligster Bereich der Kirche besaß ein in der Romanik typisches Kreuzgratgewölbe. Die Außenwände sind 1,40 Meter dick.

Die Trennung zwischen Kirchenraum und Chor übernimmt der Triumphbogen als romanischer Rundbogen.

Ein weiteres Relikt der Romanik ist die erhaltene Priesterpforte an der Nordseite des Chores.

Wenn man jetzt vom Chor aus in Richtung Westen, also in Richtung Turm schaut und ein bisschen Phantasie hat, kann man sich die kleine Dorfkirche so vorstellen, wie sie vor ungefähr 900 Jahren ausgesehen hat.

Zuerst denkt man sich die Holzeinbauten weg, keine Sitzbänke und keine Emporen. Ein eigentlich leerer Raum. Die Wände waren wahrscheinlich bunt bemalt. Und wenn man nun genau hinschaut, erkennt man oberhalb der Empore einen vermauerten Rundbogen. Ursprünglich war nämlich der Turm über zwei Arkaden, die von einem mittleren Pfeiler getragen wurden, zum Kirchenraum hin geöffnet. Dies ließ die Kirche innen wesentlich größer und auch erhabener erscheinen.

Wenn man die Treppe zum Turm bis zur ersten Etage hinaufsteigt, kann man die alten Strukturen noch gut erkennen.

Das muss schon ziemlich gewaltig ausgesehen haben. Vielleicht hat man die Arkaden zugemauert um den Turm als Schutzburg nutzen zu können.

Im Zentrum des Chores findet man den Taufstein. Seine Entstehung wird im Jahr 1250 vermutet.

In der Romanik bevorzugte man runde Taufsteine, während man in der Gotik die sechseckige oder achteckige Form des Beckens bevorzugte.

Der Altar ist aus Ziegeln gemauert und wurde ca. 1440 errichtet.

Es war vielleicht ein recht unspektakuläres Dorfleben in Wiepke. Jedenfalls ist mir über die Reformationszeit nichts bekannt geworden. Um 1600 brennt die Kirche nieder und das Kreuzgratgewölbe des Chores wird zerstört. Mit dem Wiederaufbau erhielt der Chor eine Kassettendecke, die wunderschön bemalt wurde.

Gleichzeitig wurden das Chorgestühl und die Empore eingebaut. Die Plätze auf der Empore und insbesondere im Chorgestühl waren den gehobeneren Herrschaften vorbehalten. Unmissverständlich wurden hier die Plätze mit den Familiennamen gekennzeichnet. Christian Vahldieck und M Pasche Lüder. M steht für Meister und Pasche Lüder war der Müller des Dorfes und wahrscheinlich auch der Kirchenälteste.

Aber auch die Empore im Kirchenraum wurde mit Namen versehen. Wahrscheinlich saßen hier die Handwerker, wie der Schmied oder der Müller, während der Bauer oder Tagelöhner seinen Platz in den Sitzreihen hatte. Wahrscheinlich gab es hier ebenfalls angestammte Plätze. Auch bei den weniger begüterten gab es wie heute auch die Besseren und die Schlechteren.

Für unseren weiteren Gang durch die Geschichte begibt man sich besser nach draußen. Und auf dem Weg passiert man die Kirchentür mit der stark ausgetretenen Stufe. Von wie vielen Generationen wurde dieser Backstein wohl schon betreten bis er so aussah.

Am 10. August 1720, wahrscheinlich war es ein Gewittersturm, stürzte der Kirchturm auf ein benachbartes Gehöft und erschlug wohl auch einiges an Vieh. Das so etwas passieren konnte, lag wohl daran, dass die Kirche zu diesem Zeitpunkt schon in einem recht verwahrlosten Zustand gewesen sein musste.

Ein Jahr später begann man dann mit der Sanierung. Der Turm bekam ein etwas verändertes Aussehen, indem man den Turmaufbau etwas zurück setzte und mit einem Dachreiter versah. Gleichzeitig wurde die Kirche umgebaut. Es war die Zeit des Wechsels vom Barock in den Klassizismus. Das schnörkelige, verspielte wollte niemand mehr haben. Gerade Linien kamen in Mode, eigentlich das genaue Gegenteil des barocken. Und so wurden die Fenster im Stile der neuen Zeit umgebaut. Ob man den Rundbogen bewusst hat stehen lassen oder ob man sich nicht so viel Arbeit machen wollte, weiß ich nicht. Es ist letztendlich auch egal. Der Wandel der Zeit hinterlässt Spuren und diese zu erkennen ist nicht nur spannend sondern macht ein Gebäude auch lebendig und wahrhaftig.

Im Rahmen der Umbauten wurde die Eingangstür zu Kirche an die Nordseite des Turmes verlegt.

Im Jahr 1838 erhält die Kirche dann noch eine Orgel. Diese Orgel ist gebraucht und stammt vermutlich aus der Gutskirche Isenschnibbe bei Gardelegen.

1910 wurde dann noch die Bleiverglasung in den Fenstern der Ostwand eingebaut.

Nach der Wende holte man dann die Kirche aus ihrem Dornröschenschlaf und sanierte sie liebevoll. Sie ist sicherlich kein Gebäude von Weltruhm aber sie zeugt vom steten Wandel über eine Zeit von fast 900 Jahren.