Ich habe schon viele Dome in Deutschland gesehen und war beeindruckt von deren Größe und Ausstrahlung. Aber kein Dom konnte mit einer derart wechselvollen Geschichte aufwarten, wie die Hohe Domkirche St. Peter zu Trier.

Beginnen wir wieder mit dem fast jedem historischen Gebäude zugehörenden Superlativ. Der Dom ist die älteste Bischofskirche Deutschlands.

Zwischen 310 und 320 wurde die erste christliche Basilika unter Konstantin errichtet. Sie befand sich ungefähr dort, wo jetzt die Dominformation ist. Hier gibt es auch eine Besichtigungstour in die Fundamente und Reste der vorherigen römischen Wohnbebauung. 

Im Laufe der weiteren Jahre bis 346 entstanden drei weitere Basiliken und ein imposanter Quadratbau. Der somit entstandene Kirchenkomplex muss gigantisch gewesen sein.

Um das ganze besser zu verdeutlichen habe ich mal eine Skizze gemacht.

Die Südwest-Basilika (SW) wurde als erstes erbaut. Sie steht auf den Fundamenten eines römischen Wohnhauses, welches bereits eine Hauskapelle besaß. Ob das den Ausschlag gab, die erste Basilika dort zu bauen, weiß man nicht, könnte aber sein. Die anderen drei Basiliken wurde, wie schon erwähnt bis 346 gebaut. Der etwas hervorgehobene Teil in der Nordost-Basilika (NO) ist der Quadratbau. Dieser Quadratbau ist der einzige heute noch erhaltene antike Teil der Kirchenanlage.

In der Mitte befindet sich das Baptisterium. Das war ein 64 Quadratmeter großes Taufbecken. Die Lage des Taufbeckens wurde im Pflaster vor dem Dom gekennzeichnet.

Der schlaue Betrachter merkt bereits, dass hier etwas nicht stimmt. Denn das Taufbecken lag ja ungefähr mittig zwischen den vier Basiliken. Die Nordwest- und die Südwest-Basiliken wurde in der Zeit der Völkerwanderung von den Franken und etwas später von den Normannen zerstört. Die Ausdehnung der beiden zerstörten Basiliken reichte über den gesamten Domvorplatz. Zur Römerzeit war der Trierer Dom somit die größte Kirchenanlage Europas, was ja eigentlich auch keine Kunst war, da ja das Christentum erst im Entstehen begriffen war.

Wenn man links am Dom vorbei in Richtung Dommuseum geht kann man noch sehr gut das Aussehen des antiken Quadratbaus erkennen. Die Römer nutzten zum Bau einen rötlichen Stein unterbrochen von doppelten Riemchenlagen. Der mittelalterliche Anbau besteht dann aus dem hellen Kalksandstein.

Wenn man dann die gleiche Fassade des Quadratbaus betrachtet erkennt man noch recht gut die Umrisse der ehemaligen Fenster des römischen Baus. Es muss sehr hell im Innenraum gewesen sein, zumindest wesentlich heller als nach den Umbauten in der Romanik. Es ist schon erstaunlich, welch antikes Wissen im Mittelalter verloren ging. Erst in der Gotik war man wieder in der Lage derart große Fenster zu bauen.

Die vier kleinen Kreise in der Skizze sollen die Granitsäulen innerhalb des Quadratbaus darstellen, die in der Antike den Bau stützten. Der Granit kam aus dem Odenwald und wurde in einem Stück pro Säule, in diesem Fall 12 Meter, nach Trier transportiert. Dies geschah zum Teil auf dem Wasser und zum Teil zu Land. Dass diese gigantische Leistung im Mittelalter kaum noch zu erklären war, liegt auf der Hand und so entstand in Trier die Sage um den „Domstein“. Die Reste einer Granitsäule liegen heute vor dem Westportal und dienen als Kletterstein und Fotomotiv.

In der Dominformation kann man den Domstein sogar kaufen. Als Praline. Der Verkaufserlös wird für den Erhalt des Domes genutzt. Diese Geschäftsidee hätten die Römer bestimmt toll gefunden.

Die Granitsäulen selbst wurden bei einem Germanenüberfall zerstört und stürzten samt der von ihnen getragenen Bögen ein. Es blieben lediglich die Außenmauern des Quadratbaus stehen. Im 6. Jahrhundert wurde der Bau dann wiederhergestellt und stabilisiert und die Granitsäulen durch Kalksteinsäulen ersetzt. Die Kalksteinsäulen wiederum entstammten einem römischen Tempel. Im ausgehenden 10. Jahrhundert wurden dann die Kalksteinsäulen bei einer weiteren Restaurierung ummauert und erhielten somit ihr heutiges kreuzförmiges Aussehen. Wenn man im Quadratbau vor der nordöstlichen Säule steht und Richtung Westen schaut, sieht man ziemlich weit oben ein Loch im Mauerwerk. Und wenn man dann noch etwas genauer schaut, kann man noch ein erhaltenes Kapitell der Säule aus dem 6. Jahrhundert erblicken.

Im 11. Jahrhundert ließ Erzbischof Poppo dann den Quadratbau nach Westen erweitert. Zu diesem Zeitpunkt standen schon die NW- und SW-Basiliken nicht mehr und die NO-und SO-Basiliken lagen in Trümmern.

Wenn man den jetzigen Dominnenraum betrachtet, muss man sich vorstellen, dass die Decke nicht gewölbt sondern gerade war, vermutlich aus Holz. Die Wände waren bunt und ein Gestühl gab es auch nicht. Die armen Sünder mussten stehen, der Kirchgang war kein Vergnügen.

Die beiden Seitenschiffe waren vermutlich gleich hoch wie das Mittelschiff. Einzelne Bauteile des Westchores wurden der Porta Nigra entnommen, die zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls umgebaut wurde.

Der Westchor erhielt noch zwei Türme, die in Ihrer massiven quadratischen Form noch heute das Gesicht des Domes vom Domplatz aus bestimmen.

Mit dem Ende des 11. Jahrhunderts ergab sich dann nebenstehendes Bild

Im 12. und 13. Jahrhundert wurde dann der Quadratbau in Richtung Osten erweitert. Der Dom erhielt einen Ostchor, eine Apsis und die beiden schlanken Türme, nun schon im gotischen Stil. Kurz danach wurde der Westchor und der Quadratbau überwölbt.

So erhielt der Dom bereits fast sein heutiges Erscheinungsbild. Fehlt nur noch die Heilig-Rock-Kapelle, welche im 17. Jahrhundert an die Ostapsis angebaut wurde.

Und da sind wir beim „Heiligen Rock“, eines der wichtigsten Reliquien der Christenheit. Für alle nicht so bibelfesten Leser sei gesagt, dass dieser Rock das letzte Kleidungsstück gewesen sein soll, welches Jesus trug bevor er ans Kreuz geschlagen wurde. Da dieser Rock (vom Aussehen her eher eine Tunika) nahtlos in einem Stück gewebt ist, symbolisiert er die Einigkeit der Christenheit. Die Echtheit ist stark umstritten und kann aufgrund der bereits weit fortgeschrittenen Zerstörung des Gewebes derzeit nicht festgestellt werden.

Es wird gesagt, dass Helena, die Mutter Konstantins, den Heiligen Rock aus Italien nach Trier brachte. Bis zum 12. Jahrhundert liegt der Verbleib des Stückes im Dunklen. Erstmalig urkundlich erwähnt wurde er 1196, als er in den neu erbauten Ostchor eingeschlossen wurde. Anfang des 16. Jahrhunderts begannen dann  Wallfahrten, an welchen den Pilgern der Heilige Rock gezeigt wurde. Luther kommentierte dies so: „Wie ist man gelaufen zu den Wallfahrten! […] Was thät allein die neue Bescheißerei zu Trier, mit Christus Rock? Was hat hie der Teufel großen Jahrmarkt gehalten in aller Welt, und so unzählige falsche Wunderzeichen verkauft? […] Und das noch das Allerärgest ist, daß sie die Leute hiemit verführet und von Christo gezogen haben, auf solche Lügen zu trauen und bauen […]“

Im Zusammenhang mit den Unruhen während der Reformation wurde die Reliquie dann nach Koblenz verbracht. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts kam sie zurück nach Trier. Heute befindet er sich fest verschlossen hinter Glas in der „Heilig-Rock-Kapelle“ hinter dieser pompösen barocken Wand.

Zum Schluss des Dombesuches noch einige Impressionen.

Der Blick in den Westchor

Die Kuppel der Apsis im Westchor

und die Lichtspiele im Dom.

Soviel zum Dom, welcher aus der ehemaligen NO-Basilika und dem Quadratbau entstand. Da gibt es ja noch die SO-Basilika, welche über Jahrhunderte im Schatten des Domes stand und mit Sicherheit kein schönes Bild abgegeben hat. Hier entstand auf den Fundamenten die Liebfrauenkirche, mein nächstes Ziel.