Markgraf Otto I., ältester Sohn von Albrecht den Bären, überlässt „die Einöde, die zwischen den Bächlein mit dem Namen Sitzow und dem Fluss liegt, der Binde genannt wird“ in einer Urkunde aus dem Jahr 1184 dem Kloster Arendsee. Ob dort tatsächlich Binde stand, wage ich ja zu bezweifeln, denn aus einem Dokument aus dem Jahr 1208 geht die Bezeichnung „Bindin“ hervor. Kurz vor der Beurkundung, am 25. Dezember 1183, stiftete Otto das Kloster in Arendsee. Vermutlich gehörte die beschriebene Einöde zur Erstausstattung des Klosters, denn Otto starb daraufhin im März 1184. Die Überschreibung der Gegend am Fluss Binde stand also eng im Zusammenhang mit der Stiftung und Gründung des Klosters in Arendsee. Eine Ansiedlung wird es zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht gegeben haben, dies überließ Otto den Nonnen, denn das war die ureigenste Aufgabe eines Klosters. Die Besiedlung der ihnen überlassenen Ländereien, aus denen das Kloster dann seine Einkünfte schöpfte. Lange ließen sich die Nonnen auch keine Zeit, denn bereits zum Ende des gleichen Jahrhunderts wurde dort, wo die Binde fließt eine Kirche errichtet.

Um zur Kirche zu gelangen geht man am besten durch das um ca. 1500 entstandene und etwas versteckt gelegene Kirchhofportal.

Idyllisch liegt die Kirche zwischen Bäumen und Sträuchern. Fast wirkt die Kulisse etwas verwunschen.

Die äußere Erscheinung der Kirche hat sich seit dem 12. Jahrhundert nicht viel geändert. Ein mächtiger Nordturm, das Langhaus und ein etwas in der Breite eingerückter Chor mit einem geraden Abschluss. Eine Apsis hat es nie gegeben. Gerade der Nordturm wirft immer wieder die gleichen Fragen auf. So massiv, wie er gebaut wurde, könnte man auch tatsächlich denken, dass er Verteidigungszwecken diente. Aber wer sollte das Dorf verteidigen? Und vor allem, wie sollte das Dorf vom Turm aus verteidigt werden? Das Dorf wurde als Straßendorf angelegt. Das heißt, an einem Weg, der vermutlich in Richtung Arendsee führte, wurden wie an einer Schnur Bauernhöfe errichtet. Zum Wohnhaus gesellten sich Nebengebäude, wie Scheunen und Ställe sowie Gärten und Äcker. Was zu einer Bauernwirtschaft gehörte, lag also in unmittelbarer Nähe. Verteidigen konnten die Höfe nur die Bauern selbst mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, was in den meisten Fällen dann doch nur die typischen Gerätschaften eines Bauernhofes waren. Erfolgversprechend war solch eine Verteidigung wohl kaum. Selbst wenn man es bis zur Kirche schaffte, stellte der Turm maximal einen Schutzraum dar.

Die Öffnung auf der Südseite des Turmes, die wesentlich größer gewesen sein muss, war auf jeden Fall eine Tür zum Obergeschoss des Turmes. Die als Zugang dienende Leiter konnte eingezogen werden und so war man erst einmal geschützt. Auch die schmale Öffnung, wie diese direkt unter dem Zugang war keine Schießscharte, sondern eine Belüftungsöffnung.

Die gesamte Kirche wurde aus Feldsteinen errichtet. Damals die günstigste Art eine Kirche zu bauen, denn Feldsteine gab es zur Genüge. Auch hatte man sich nicht die Mühe gemacht, diese besonders in Form zu hauen. Lediglich an den Außenseiten und im Bereich der Gebäudekanten hat man die Steine in Form geschlagen. Die Lücken zwischen den Steinen wurden mit kleineren Steinen aufgefüllt. Auch wenn es die einfachste Art war ein Gebäude zu errichten, muss man sich vorstellen, welche Mühen es machte die Feldsteine zum einen heranzuschaffen, zu bearbeiten, und zum Teil in luftiger Höhe, diese in die richtige Position zu bringen.

Bei genauem Hinschauen erkennt man noch heute die Spuren der Werkzeuge mit denen die Steine bearbeitet wurden.

Erstmals schriftlich erwähnt wird das Dorf im Landbuch Karls IV. im Jahr 1375. Die Adelsfamilie von der Schulenburg bezog eine Rente aus dem Dorf. Eine Rente ist etwas ähnliches wie ein Darlehen. Allerdings gab es im Mittelalter das Zinsverbot. Der Geldgeber überließ dem Schuldner einen bestimmten Geldbetrag (heute würde man es Kredit oder Grundschuld nennen) und erhielt dafür jährlich eine festgelegte Rente (Zins). Letztendlich nur ein anderer Name für eine vergleichbare Sache.

Während auf der Südseite sämtliche Fenster im 19. Jahrhundert vergrößert wurden, blieben die Fenster im Chorgiebel sowie auf der Nordseite des Chores in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten. Vielleicht war das eine Reminiszenz an die Geschichte der Kirche, dass man diese Fenster unversehrt ließ. Die Vergrößerung der Fenster erfolgt üblicherweise um mehr Licht ins Bauwerk zu bekommen. Von der Vergrößerung des Fensters an der Nordseite des Chores versprach man sich offensichtlich nicht viel und das Fenster der Chorstirnseite blieb wohl der Ansicht wegen erhalten.

Die Okuli sind wohl zumindest in Ihrer Größe annähernd erhalten geblieben. Die Einfassung mit Backstein ist wohl auch der Renovierung im 19. Jahrhundert geschuldet.

Im Jahr 1433 wird im Zusammenhang mit einer Stiftung der Kommende der Tuchmacher in der St. Katharinenkirche in der Neustadt Salzwedel ein Pfarrer Johannes Markgraf erwähnt. Ungefähr 20 Jahre später berichten Aufzeichnungen, dass dem Kloster Arendsee 11 Höfe in Binde gehören. Nun besetzt Wilke Wans die Pfarrstelle in Binde und die Adelsfamilie von Knesebeck besaß das Patronat an der Kirche. Das heißt, sie trug die Verantwortung für den baulichen Zustand der Kirche und übernahm die Bezahlung des Pfarrers. Im Gegenzug erhielt der Patron meist einen bevorzugten Sitzplatz, hatte ein Mitspracherecht bei der Vergabe der Pfarrstelle und oft diente die Kirche der Patronatsfamilie als Grablege. Letztendlich ist das Patronat an einer Kirche und die damit verbundene Wohltätigkeit nur ein Gegengewicht zum sündenbehafteten Leben.

Geht man in die Kirche hinein, steht man in einem flachgedeckten Raum mit einer Decke, die von offensichtlich sehr alten, wenn nicht sogar ursprünglichen Balken getragen werden. Gerahmt wird der Chor durch den romanischen Chorbogen, der den Kirchensaal vom Chor trennt.

Sehr prägnant ist das große Altarbild, welches von der Diakonissin Elisabeth Kleinau gestiftet und am Palmsonntag 1883 aufgestellt wurde. Vor der Aufstellung dieses Altarbildes zierte ein Schrein den Altar, welcher aus den Jahren 1460 bis 1520 stammte. Zum Alter des ursprünglichen Altarschreines habe ich mehrere widersprüchliche Aussagen gefunden. Jetzt befindet sich der Altarschrein im Danneil-Museum in Salzwedel.

Am 24. Juni 1505 wird für die Kirche eine 350 kg schwere Bronzeglocke gegossen. Die Inschrift auf der Glocke lautete: „1505 am Tage des Johannes des Täufers ist diese Glocke zu Ehren Gottes von Meister Hans Freitag im Beisein des Pastors Hr. Mathias Voß und der Gotteshausleute Thomas Beneken und Joachim Neubauer und Joachim Schulz gegossen.“

Knapp zwanzig Jahre später erhält die Kirche eine 800 kg schwere Glocke. Hier lautet die Inschrift: „Im Jahre des Herrn 1524 dabei goss mit Arnolt Blume. Sankt Georg heiße ich. Das Wetter verscheuche ich. Die Lebenden rufe ich. Die Toten beweine ich. Die Bevemten beklage ich.“

Beide Glocken teilte ein gleiches Schicksal. Sie zersprangen beim Trauergeläut. Während die kleinere und ältere Glocke das Geläut zum Tod von Königin Elisabeth, der Gemahlin Friedrich Wilhelms IV. im Jahr 1874 nicht verkraftete, zersprang die größere Glocke im Jahr 1890 beim Trauergeläut zum Tod der Kaiserin Augusta, der Gemahlin von Kaiser Wilhelm I.  Ein Bruchstück der alten Glocke befindet sich noch in der Kirche. Die kleine Glocke wurde noch im gleichen Jahr umgegossen und erhielt die Inschrift „Ehre sei Gott in der Höhe, gegossen 1874 von Gebr. Ulrich.“ Aber auch mit dem Verlust der großen Glocke gab man sich nicht lange zufrieden. Bereits im darauffolgenden Jahr wurde diese Glocke umgegossen und erhielt die Inschrift „Gegossen 1524, umgegossen 1891 von Gebr. Ulrich. Pastor Otto Schneider, Kirchenältester Kleinau, Sasse, Gaede, Schulze, Schulz.“ Den Glocken war allerdings kein langes Leben beschieden. Sie dienten dem Reich im 1. Weltkrieg als Kanonenfutter. Seit 1920 hängen nun Stahlglocken im Binder Kirchturm.

Über den Dreißigjährigen Krieg sind eigentlich keine Nachrichten überliefert. Aber manchmal liefern scheinbar wenige Informationen ein ziemlich genaues Bild über das Geschehen. So ist verzeichnet, dass im Dorf im Jahr 1620 insgesamt 18 Ackerleute und 4 Kossäten lebten. 36 Jahre später, also 8 Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg, bewohnten nur noch 9 Ackerleute und 1 Kossät das Dorf. Der Bevölkerungsschwund spricht Bände und zeigt die verheerenden Auswirkungen eines Krieges, der mit plündernden Armeen beider Seiten mehrfach durch die Altmark zog. In deren Schlepptau kamen Epidemien und Hungersnöte.

Aus dem Jahr 1680 stammen die Kanzel, die Taufe und der Pfarrstuhl.

In den Jahren 1792 oder 94 schlug bei einem Gewitter der Blitz in den Turm ein. Dabei wurde das aus Findlingen bestehende Tonnengewölbe, welches das Turmerdgeschoss vom Obergeschoss trennte, zerstört und der Turm bekam Risse, die noch heute zu erkennen sind.

Das Dorf hatte sich von den Kriegswirren bereits gut erholt. Es zählte im Jahr 1807 wieder 210 Einwohner und 20 Ackerhöfe. Die Leibeigenschaft wurde im Dorf am 11.09.1811 aufgehoben und die Kirche erhielt Filialkirchen in Schernikau und Kassun. Nun könnte man denken, dass es den Bauern gut ging. Aber so war es nicht. Eine Kriegssteuer, die dem Dorf 1839 auferlegt wurde, konnte nicht gezahlt werden. Aus dieser Zeit stammt der Spruch "In Bin'n ist nischt to fin'n, as een drön Tacken, wo all de Lü von backen. In Kaulitz is noch wat, Mechau is en Stadt, Riebau is en Botterfatt." In den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts wandern 69 Personen aus dem Dorf nach Amerika aus.

Trotz aller Not oder gerade deshalb wurden im Jahr 1866 die Fenster und das Portal vergrößert.

Aus dem Jahr 1900 stammt die Orgel und fünf Jahre später wurden die Kirchenbänke erneuert. Die nachfolgenden Kriegsjahre gingen sicherlich nicht spurlos am Dorf vorbei, aber der Kirchenbau betrauerte nur den Verlust der Glocken im 1. Weltkrieg.

Als 2001 der Kirchturm aufgrund der beim Blitzeinschlag Ende des 18 Jahrhunderts entstandenen Risse gesperrt werden musste, nutzte man die Gelegenheit und sanierte nicht nur den Turm, sondern die gesamte Kirche.

Bischöfe oder Könige hat diese Kirche wohl nie gesehen. Großartige Ereignisse sind zu dieser Kirche auch nicht verzeichnet. Aber darauf kommt es auch nicht an. Die kleine Dorfkirche in Binde schöpft ihre Bedeutung aus ihrem Alter und den Blick, den sie in die Vergangenheit der Altmark gewährt. Generationen von Dorfbewohnern stellte sie sich genauso dar, wie uns heute. Und während die Jahrhunderte an ihr vorbeirauschten und die eine oder andere kleine Blessur hinterließen, war sie doch immer der Mittelpunkt einer kleinen Gemeinschaft von Menschen, die aus ihr die Kraft schöpften das Dorf und die Kirche am Leben zu erhalten.