Mitten auf einem Friedhof befindet sich die Kapelle St. Stephanus, die einstmals die Kirche des Dorfes Alvensleben war. Wer sich etwas mit der Geschichte dieser Gegend auskennt, weiß, dass der Name Alvensleben hier allgegenwärtig ist. Das Adelsgeschlecht derer von Alvensleben hatte hier seinen Ursprung.
Bischof Hildegrim von Halberstadt, der zwischen 760 und 827 lebte, stiftete 35 Pfarrkirchen, die alle dem Heiligen Stephanus geweiht wurden, so wie auch diese ehemalige Kirche. Zu Lebzeiten des Bischofs führte Karl der Große seine Sachsenkriege. Es waren also unruhige Zeiten. Im Jahr 804 ergab sich Widukind, der Sachsenkönig, der Übermacht des großen Franken und ließ sich taufen. Die Missionierung der Sachsen begann. Und wenn man sich nun vorstellt, dass die Kirche genau zu diesem Zweck gestiftet wurde, bekommt man eine ungefähre Vorstellung der geschichtlichen Bedeutung dieses doch recht unscheinbar daherkommenden Gebäudes.
Und so rankt sich eine Sage um Alvo, einem Sachsen, der im Heer des Widukind gegen Karl dem Großen gekämpft haben soll und schwer verletzt wurde. Nach der Schlacht wurde er von christlichen Mönchen gesund gepflegt. Während dieser Zeit hat Alvo sich mit dem christlichen Glauben vertraut gemacht und so wurde er am Osterabend 781 getauft. Was daran nun wahr ist und ob der Namensursprung derer von Alvensleben auf diese Sage zurück zu führen ist, weiß wohl niemand, aber es ist eine schöne Geschichte.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Gegend um die Anhöhe an Flüsschen Bever ein Archidiakonat des Bistums Halberstadt mit Namen Alvensleben war. Ein Archidiakonat war eine territoriale Verwaltungseinheit des Bistums. Zum Schutz dieser Verwaltungseinheit wurde auf eben dieser Anhöhe eine Burg gebaut. Im Schutz der sogenannten Bischofsburg entstand und ein Dorf, welches im Jahr 964 erstmals erwähnt wurde. Hierbei wurde dem Kloster Gernrode der Besitz von zwei Hufen im Dorf Alvensleben bestätigt.
Im 12. und 13. Jahrhundert wurde eine Ministerialfamilie, also so etwas wie eine Beamtenfamilie im Dienste des Bischofs, mit dem Amt des Burgvogts betraut. Im Laufe der Zeit nannte sich die Familie nach der Burg und dem Dorf. Das Adelsgeschlecht derer von Alvensleben war geboren.
Mit der Zeit kam noch eine zweite Burg auf der gleichen Anhöhe, die heutige Veltheimsburg, dazu. Es ist ein schöner kleiner Spaziergang zur Burg hinauf und er lohnt sich.
Aber auch am Kirchenbau lässt sich die Vergangenheit ablesen. So wird vermutet, dass vom ursprünglich aus dem 10. Jahrhundert stammenden Gebäude nichts mehr vorhanden ist. Das was noch erhalten ist, stammt aus romanischer Zeit, also so um das 12. Jahrhundert herum.
Nun lässt sich anhand der in einer Vielzahl vorhandenen baulichen Spuren vortrefflich spekulieren. Ich fand hierzu sehr gut nachvollziehbare Erläuterungen in einem Büchlein, was ich eigentlich zur Turmruine Nordhusen geschenkt bekam.
Wenn man vor dem Gebäude steht, erinnert dieses an eine Art Tempel.
Der an der Ostseite durch Holzpfeiler gestützte Vorbau entstand erst Ende des 18. Jahrhunderts. Das Gebäude wurde also um ungefähr einen bis zwei Meter nach Osten verlängert. Geht man nun rechts am Gebäude vorbei, steht man vor der Nordwand.
Die linke, also östliche, Gebäudeecke besteht aus einem aus Sandstein gefertigten Mauerverbund. Als man das Haus nach Osten erweiterte brach man diesen Sandsteinverbund aus der ursprünglichen romanischen Gebäudeecke heraus, erweiterte das Gebäude und baute den Eckverband wieder ein. Der neu gebaute Gebäudeteil ist klar am unregelmäßigen Mauerverband zu erkennen. Bis ungefähr einen halben Meter vor der westlichen Gebäudekante erstreckt sich das ursprüngliche romanische Mauerwerk. Dann kommt ein senkrechter Streifen, der so gar nicht in das Mauerwerk passt. Hier kann ein ehemaliger Wandanschluss zu einem anderen Gebäude vermutet werden.
Die anschließende Westwand ist dünner als die beiden Längswände, was die Vermutung zulässt, dass diese wohl auch jüngeren Datums ist.
Die Südseite der Kapelle zeigt sich etwas repräsentativer. Auch hier erkennt man rechts den zugunsten der östlichen Erweiterung versetzten Sandsteinverbund. Aber viel auffälliger sind die beiden Rundfenster, die tatsächlich noch romanischen Ursprungs sind.
Das um die Fenster herum liegende Mauerwerk ist ebenfalls romanisch. Hier erkennt man rechts und links von den Fenstern genau den Wechsel zum später angesetzten Mauerwerk. Der senkrecht vermauerte Sandstein zwischen den Fenstern war wohl eine vertikale, eventuell sogar ehemals hervortretende, Verstärkung der Wand. Diese Wandverstärkungen wurde gleichzeitig genutzt um dem Gebäude eine Gliederung zu geben.
Das ursprünglich romanische Gebäude maß 6,00 Meter x 6,50 Meter. Es hatte also einen fast quadratischen Grundriss. In Anbetracht der recht geringen Breite kann davon ausgegangen werden, dass es sich nicht um das Kirchenschiff sondern eher um den Chor einer Kirche gehandelt hat. Eventuelle Reste von Kirchenschiff oder einem Turm wurde bisher nicht ergraben. Dass es einen Turm gab ist unstrittig, denn aus dem Jahr 1782 gibt es Anträge, wonach die Glocken aufgrund der Baufälligkeit auf dem Burgberg zum neu errichteten Glockenturm gebracht werden sollten.
Was wurde eigentlich aus dem Dorf Alvensleben, was einst rund um die Stephanuskirche existierte?
Wie schon bei der Turmruine Nordhusen verließen die Bewohner das Dorf und suchten in der Nähe der Burg mehr Schutz. So war es wohl auch hier. Im 14. Jahrhundert kam es zu Klimaveränderungen, die mehrere Missernten nach sich zogen. Hinzu kamen Pestepidemien, die die Bevölkerung stark dezimierten. Und so zogen die Bewohner nach und nach in die Nähe des Burgberges und das Tal der Beber. Das Dorf lag dann spätestens Ende des 15. Jahrhunderts wüst, nur die Kirche wurde wohl noch genutzt. Allerdings nahm man den Namen des Dorfes mit und so entstanden zwei Dörfer. Alvensleben und Markt Alvensleben.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche arg in Mitleidenschaft gezogen. Sogar die Bretter des Kirchenfußbodens wurden zum Sargbau genutzt. Als dann 1697 der Bau einer neuen Dorfkirche begann, verlor die zu diesem Zeitpunkt wohl schon recht ruinöse Stephanuskirche an Bedeutung. Einhundert Jahre später errichtete man eine Friedhofskapelle und nutzte dafür die Reste der Kirche.
Wer die Dörfer Alvensleben und Markt Alvensleben jetzt auf der Karte sucht, wird wohl nicht mehr fündig werden. In den 50-er Jahre hat man beide Dörfer zusammengelegt, das Dorf Dönstedt dazu getan und in Bebertal umbenannt.