Geht man vom Dom aus in Richtung Norden die Elbe entlang, kommt man am Kloster unserer lieben Frauen und an der Johanniskirche vorbei. Noch ein kleines Stückchen weiter und man befindet sich außerhalb von Magdeburg im kleinen Fischerdörfchen Frose. Wer jetzt tatsächlich mit dem Bericht die Elbe entlang nach dem Fischerdorf sucht, wird nicht mehr fündig werden, denn dieses Fischerdorf gibt es nicht mehr. Aber die Kirche des Dorfes steht noch. Eingerahmt von der Magdalenen-Kapelle und der Wallonerkirche trotzte sie den Jahrhunderten mit Kriegen, Wetterunbilden und machthungrigen Herrschern. Allerdings ging die Zeit nicht spurlos an ihr vorüber.

Ihr heutiges Aussehen ist geprägt von der Gotik. Nur wenn man vom Westen aus auf die Kirche zugeht, kann man erahnen, wie sie in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts ausgesehen haben mag.

Der mächtige als typischer Querriegel ausgebildete Turm der Kirche ist das romanische Erbe. Geht man von den vielen in Sachsen-Anhalt noch erhaltenen romanischen Dorfkirchen aus, war die einstige einschiffige Halle genauso breit wie der Turm und wesentlich niedriger als die jetzige gotische Kirche.

Wunderschöne romanische Details haben sich am Turm erhalten, wie ein Bogenfries und die als Schallöffnungen im Glockengeschoss dienenden Doppelarkaden.

1185 wird die Kirche, die dem heiligen Petrus, den Schutzheiligen der Fischer, geweiht wurde, erstmals erwähnt. Das Fischerdorf Frose liegt zu diesem Zeitpunkt noch außerhalb der Stadtmauern Magdeburgs.

Erst 20 Jahre später und nach der ersten Zerstörung, die die Kirche bei den Kämpfen gegen den Welfenkaiser Otto IV. über sich ergehen lassen musste, wird ein Teil des Fischerdorfes und die Kirche von der erweiterten Stadtmauer eingeschlossen. Im Schutz der Stadt wächst die Gemeinde und bald ist das Kirchengebäude zu klein.

 

1380 beginnen die Umbauten. Die Romanik ist zu dieser Zeit bereits Geschichte. Die Gotik bestimmt das Baugeschehen und so baut man großzügig, hell und hoch. Wahrscheinlich hatte man große Pläne, denn die Apsis, mit der der Umbau begann, wurde noch ganz in teurem Sandstein errichtet. Das dann angebaute Langhaus wurde nur noch in preiswerterer Grauwacke ausgeführt. Grauwacke ist ein etwas minderwertigerer Sandstein, der zumeist im Harz vorkommt. In der heutigen Zeit wird Grauwacke beispielsweise im Eisenbahnbau als Schotter verwendet. Auf diesem Bild kann man schön den Übergang des Sandsteins an der Apsis auf die Grauwacke im Langhaus erkennen.

Im religiösen Sinne kommt natürlich der Apsis eine größere Bedeutung zu, was ebenfalls ein Grund dafür sein kann, dass hier Sandstein verwendet wurde. Vielleicht waren es aber auch Geldsorgen. Der Dombau, der zu dieser Zeit noch voll im Gange war, hatte sicherlich Vorrang.

Zehn Jahre nach Baubeginn wird das gesamte Dorf Frose von der Stadtmauer umschlossen und die Magdeburger Bürgerschaft kauft dem Erzbischof die Vogteirechte am Dorf und damit auch an der Kirche ab.

Ende des 15. Jahrhunderts werden das Langhaus und der Chor eingewölbt. Interessant ist, dass die Erweiterung der Kirche nur nach Süden erfolgte. Somit schließt heute die Nordwand direkt mit dem Turm ab, während die Südwand weit über den Turm hinausgeht. Offensichtlich ließ die Nachbarbebauung eine Erweiterung nach Norden nicht zu.

Mit der Vorhalle erhielt der gotische Kirchenbau seinen letzten Schliff. Ein wunderschöner Backsteingiebel ziert diese Vorhalle.

Um 1500 war der gotische Umbau dann beendet. Mehr als 100 Jahre wurde an der Kirche gebaut. Ich könnte mir vorstellen, dass doch eher Geldsorgen die Sanierungsarbeiten verzögert haben. Wenn man das 15. Jahrhundert etwas näher betrachtet, liegt dieser Schluss recht nahe. 1450 zum Beispiel gab es bei einer Pestepidemie in Magdeburg 8.000 Tote. Bei einer ungefähren Einwohnerzahl von 25.000 waren das 32 %. Das legt eine Stadt für einige Zeit schon mal ziemlich lahm.

Wenn man jetzt in die Kirche geht, fällt als erstes die lichtdurchflutete Apsis ins Auge. Sie steht irgendwie total im Gegensatz zu dem mit einer Holzdecke überspannten und etwas gedrungen wirkenden Kirchenraum.

An einigen Stellen sind noch die Kapitelle zu erkennen, die die Doppelrippen der Gewölbe getragen haben.

Ein besonders hübsches Kapitell wird noch durch ein Köpfchen verziert.

Dass die Seitenschiffe und das Hauptschiff die gleiche Höhe aufweisen ist schon etwas Besonderes. Durch die flache Holzdecke hat man den Eindruck einer großen Halle.

Wenn man nun durch das Doppelportal in der südlichen Kirchenwand geht, kommt man in die gotische Vorhalle.

Ein atemberaubend schönes Kreuzrippengewölbe bestimmt diesen kleinen Raum. Heute wird die Vorhalle als Werktagskapelle genutzt.

Aber kommen wir nochmal zurück zur Romanik. Als ich die Kirche besichtigte, hatte ich Glück. Ich traf den Küster und der nahm mich netterweise mit auf den romanischen Turm. Zuvor durfte ich aber noch einen Blick in den in Erdgeschoss des Turmes liegenden Raum, der heute als Sakristei genutzt wird, werfen.

Ein schönes romanisches Kreuzgratgewölbe ziert diesen Raum.

Aber dann ging es zur Turmbesteigung, die bereits in der Kirche beginnt.

Der Aufstieg ist nicht so beschwerlich aber hoch interessant. Im Turm liegt die Romanik mit ihren kleinen in den dicken Außenmauern konisch eingeformten Rundbogenfensterns direkt neben den mit DDR-PVC ausgelegten Treppenstufen. In einem Anflug von Nostalgie vergaß ich die Treppenstufen zu zählen.

Oben angekommen steht man im Glockengeschoss.

Und von hier aus lassen sich natürlich die Fenster besonders gut betrachten.

Wer genau hinschaut erkennt an den Mittelpfeilern einen Unterschied. Der rechte Pfeiler widerspiegelt den ursprünglichen Zustand. Der linke Pfeiler ist im Aufbau wesentlich einfacher gehalten, da durch diese Öffnung die Glocken in den Turm gehoben werden.

Den schönen Blick, den man vom Kirchturm aus hat, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Nur mit der Kamera lässt er sich nicht einfangen, da alle Fenster mit einem Drahtgeflecht bespannt sind um die Tauben fernzuhalten.

Das 16. Jahrhundert begann für die katholische Kirche mit einem Paukenschlag in Form der Hammerschläge Luthers, der die 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche schlug. Ach ja, ich denke, da muss ich mal etwas richtig stellen. Wer glaubt, Luther ist mit einer Schriftrolle, einem Hammer und vier Nägeln zur Schlosskirche marschiert, hat seine Thesen dort angenagelt und ist nach Hause gegangen und hat gewartet, dass der Sturm losbricht, der irrt aber gewaltig. Wie vieles in der Geschichte lief das Ganze wesentlich unspektakulärer ab.

Eigentlich gibt es zwei Vermutungen. Die eine besagt, dass Luther, erbost über den Ablasshandel, lediglich Briefe an mehrere Bischöfe und andere seiner Vorgesetzten gesandt hatte, denen die 95 Thesen beigefügt waren. Die Thesen wurden dann von Sympathisanten veröffentlicht und in Umlauf gebracht. Die gängigste Vorstellung ist aber, dass Luther tatsächlich die 95 Thesen an die Schlosskirche schlug, aber nicht um die Welt zu verändern. Es war üblich, dass Lehrer der Wittenberger Universität oder Studenten Zettel mit Themen an die Schlosskirche hefteten um damit eine Diskussion anzuregen. Nichts anderes wollte Luther. Es war also ein eher banaler Vorgang. Die Reformation war dann ein Selbstläufer, der Luther bestimmt anfangs überraschte und vielleicht auch überforderte. Aber man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben. Luther ist ein gutes Beispiel dafür.

Im gleichen Jahr, also 1517, predigten bereits zwei Pfarrer lutherische Texte. Es wird angenommen, dass die St. Petri-Kirche die erste protestantische Gemeinde in Magdeburg war. Kein Wunder also, dass Luther sieben Jahre später bei seinem Aufenthalt in Magdeburg das benachbarte Augustinerkloster, die heutige Wallonerkirche, als Herberge wählte.

Im Schlepptau der Reformation zog im 17. Jahrhundert der Dreißigjährige Krieg über das Land. Bei der großen Zerstörung der Stadt durch Tillys Truppen blieb auch diese Kirche nicht verschont. Teile der Gewölbe stürzten ein, die gesamte Innenausstattung wurde zerstört und was noch viel schlimmer war, fast die gesamte Gemeinde wurde vernichtet.

Erst über 50 Jahre später begann man mit der Wiederherstellung der Kirche. Im barocken Stil wurde unter anderem das südliche Zwerchgiebeldach angebaut.

Zur gleichen Zeit in der die Kirche saniert wurde, fand der Zuzug von Hugenotten nach Magdeburg statt. Die in Frankreich ansässigen calvinistisch-reformierten Hugenotten wurden dort verfolgt, da in Frankreich der Katholizismus zur Staatsreligion erhoben wurde. Magdeburg gehörte bereits seit fünf Jahren zu Brandenburg-Preußen und der Kurfürst Friedrich Wilhelm lud die Glaubensflüchtlinge ein sich in Magdeburg niederzulassen. Magdeburg hatte sich vom Dreißigjährigen Krieg noch immer nicht erholt und so versprach man sich den Zuzug von Handwerkern, Fachkräften und Unternehmern. Als Startkapital erhielten die Hugenotten eine Vielzahl von Privilegien, wie eine zehnjährige Steuerbefreiung, Verschonung vom Militärdienst und finanzielle Unterstützung beim Bau von Häusern und Werkstätten. Dies stieß bei den Magdeburgern auf erhebliche Gegenwehr. Ein territorial eingegrenztes Gebiet der Ansiedlung der Hugenotten gab es in Magdeburg nicht. Aber drei Jahre später überfiel der französische König die Pfalz und die dorthin emigrierten wallonischen Hugenotten flohen ebenfalls nach Magdeburg. Da diese Flüchtlinge bereits „sozialisiert“ waren, gestaltete sich die Aufnahme in Magdeburg wesentlich freundlicher. Es wurde die Pfälzer Kolonie gegründet, die sich in der Umgebung der St. Petri Kirche befand. Das noch von Schäden aus dem Dreißigjährigen Krieg gezeichnete benachbarte Augustinerkloster wurde den wallonischen Hugenotten übergeben und restauriert. Es entstand die Wallonerkirche.

Genau in dieser Zeit waren auch die Sanierungsarbeiten an der St.Petri Kirche beendet. Von der preußischen Militärgemeinde erhielt die Kirche ihre erste Glocke. Die Gegend um die Kirche belebte sich wieder und in der Kirche fanden zu 87% Soldatenhochzeiten statt. Die Nutzung als Garnisonskirche ist jedoch nicht belegt. So gingen einhundert friedliche Jahre ins Land.

Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts machte sich Napoleon auf den Weg. Während der napoleonischen Herrschaft diente die Kirche als Salzlager. Nach dem Abzug Napoleons wusste man mit der Kirche nicht so recht etwas anzufangen. Vielleicht führte sie nur ein Schattendasein in der stark von Wallonern besiedelten Gegend.  Jedenfalls ist in den Kirchenunterlagen für das Jahr 1846 ein so genanntes „Rollhaus“ verzeichnet. Dieses Holzhaus wurde direkt an die Kirche angebaut und diente dazu gewaschene Wäsche zu glätten und zusammen zu legen. Aufgrund der Enge wurde unter anderem auch der Kirchenraum für diese Arbeiten genutzt. Die Wäsche wurde übrigens sowohl auf dem Kirchhof als auch auf dem Dachboden der Kirche getrocknet, was aufgrund der Gewölbe der Kirche wohl nicht ganz so einfach war. Nun ist verzeichnet, dass es wohl reichlich Ärger gab aufgrund der „lautstarken und unfeinen“ Gespräche der Waschfrauen. Waschweiber halt.

Wenn wir uns jetzt wieder nach draußen begeben, können wir genau aus dieser Zeit „Gaffiti“ an den Kirchenwänden finden.

Aber auch andere Spuren findet man hier noch. Zum Beispiel Einkerbungen, die entstanden sind bei der Schwertweihe. Hierbei wurde ein Schwert gegen die Kirchenwand, meistens im Bereich der Apsis, geschlagen und man erhoffte sich Gottes Segen bei einem bevorstehenden Kampf oder Kriegszug.

Auch Hinweise auf eine Krypta ergeben sich beim näheren hin schauen.

So ein Rundgang um eine Kirche kann sehr interessant sein. Eigentlich ist das immer mein letzter Gang bei einer Besichtigung. Aber wir sind ja noch nicht ganz fertig.

Im Januar 1945 wurde die Kirche bei einem Bombenangriff fast vollständig zerstört. Nur der Turm und die Außenmauern überstanden das Inferno.

1958 wurde die zerstörte Kirche von der katholischen St. Sebastian Gemeinde gekauft und kurz darauf begannen die Enttrümmerungsarbeiten. Der Wiederaufbau erfolgte im Stil der vor 1631 zerstörten Kirche. Nur ein Gewölbe erhielt sie nicht mehr und so hat das gotische Kirchenschiff eine romanisch anmutende flache Holzdecke.

Die bunten Glasfenster der Apsis wurden von Charles Crodel im Jahr 1970 gestaltet. Charles Crodel war ein in München lebender deutscher Maler und Glaskünstler, der grenzüberschreitend unter anderem auch Teile der Chorfenster am Erfurter Dom, am Halberstädter Dom, Merseburger Dom sowie die Fenster in St. Gangolf in Trier schuf.

Im November 1970 erfolgte die katholische Weihung der Kirche und als 1991 der Prämonstratenserorden nach Magdeburg zurückkehrte, ließ er sich in der St. Petri Kirche nieder. Seit 1999 ist St. Petri auch Universitätskirche.